Hundezentrum Heiduk

Hundeschule Berlin - Hundezentrum Heiduk

Von Menschen, Hunden, Regeln und Grenzen

Wir beobachten ein in den letzten Jahren zunehmendes Phänomen: Menschen sehen sich immer weniger in der Lage, ihren Welpen Grenzen zu setzen. Die Gründe dafür sind mannigfaltig.

Grenzenlos glücklich?

Oft fehlt frisch gebackenen Hundebesitzern schlicht das Verständnis für die Notwendigkeit von Grenzen, noch dazu im Welpenalter – ist da doch noch so viel süß, ohne echten ernsthaften Hintergrund, man selbst so verzückt von diesem kleinen, flauschigen Wesen – und so fällt es wahnsinnig schwer zu begreifen, dass bereits jetzt das Fundament der künftigen Er-, vor allem aber der künftigen Beziehung gelegt wird.

In nur ein paar Monaten wird von demselben niedlichen Hundebaby, das gerade mit Zuneigung und Fürsorge überhäuft wird, das jetzt noch das Herz seines Besitzers im Sturm erobert hat, etwas anderes erwartet werden. Denn wenn der junge Hund plötzlich älter wird, geschlechtsreif ist und bereit zum Jagen oder aggressivem Verhalten sein kann, ändert sich vieles.

Noch ist es lustig, wenn der kleine Welpe sein Spielzeug oder Kissen rammelt. Er spielt ja nur, er ist ja noch nicht einmal geschlechtsreif.

In einigen Monaten wird der heranwachsende Hund in Begegnungen mit anderen Hunden, vielleicht sogar mit anderen Menschen, immer wieder auf dieses Verhalten zurückgreifen, dadurch in Schwierigkeiten geraten wenn sich das Gegenüber nicht rammeln lassen möchte und dadurch immer mehr Einschränkungen erfahren. Sei es, dass dieser Hund immer mehr an der Leine bleiben muss, dass er in Prügeleien gerät oder am Ende auf einem Tierarzttisch landet, auf dem er kastriert wird – und das nur, weil seinem Verhalten nie Einhalt geboten wurde, vor allem nicht als Welpe.

Welpe zieht an der Leine

Noch ist es lustig, wenn der kleine Welpe im Wind fliegenden Blättern hinterherhopst, wenn er Vögelchen spannend findet  – denn die kriegt er ja ohnehin nicht – und naja, dass Hunde keine Katzen leiden können ist ja allgemein bekannt. Da kann man nichts machen – oder?

In einigen Monaten wird der nun nicht mehr so kleine Welpe ebenfalls massive Einschränkungen hinnehmen müssen, sei es weil er viel an der Leine laufen muss, damit er nicht jagen geht oder sei es weil auch er sich auf dem Tierarzttisch wiederfindet, nachdem er sich mit einem Wildschwein angelegt hat – und das nur, weil seinem Verhalten nie Einhalt geboten wurde, vor allem nicht als Welpe.

Noch ist es lustig, wenn der kleine Welpe seine spitzen Zähnchen im überschwänglichen Spiel oder in einem Wutanfall in seinen Menschen rammt. Er beisst ja nicht richtig, er schnappt ja nur, es tut ja nicht weh – und keinesfalls meint er das böse! Der Besitzer hört auch jedes Mal auf mit dem Welpen zu spielen und wendet sich ab, so wie er es gelesen hat. Dummerweise interessiert das seinen Welpen überhaupt nicht, denn der springt nun erst recht auf ihm herum oder zwickt ihn in die Füße.

In einigen Monaten wird der Besitzer des nun nicht mehr so kleinen Welpen massive Einschränkungen erfahren. Nun tut es weh, wenn der Junghund zuschnappt, und eigentlich ist es auch kein Schnappen mehr, nun ist es wirklich Beißen. Er beißt immer noch im Spiel, aber er beisst nun auch wenn ihm irgend etwas nicht passt – und es passt ihm so vieles nicht: angefasst werden, wenn er keine Lust hat. Gekämmt werden. Ein Spielzeug hergeben oder etwas herausrücken, das er auf dem Spaziergang gefunden hat. Gerade Letzteres endet für den besorgten Besitzer unter Umständen im Krankenhaus, weil er seinem Hund beim Spaziergang beispielsweise ein Stück Wurstpelle abnehmen wollte, das sein Hund gefunden hatte – und das nur, weil dem Verhalten seines Hundes  nie Einhalt geboten wurde, vor allem nicht als Welpe.

Schöne Grenzen

Das Setzen von Grenzen ist nicht immer schön. Einen Konflikt anzunehmen und innerhalb desselben bei sich und seinem Standpunkt zu bleiben, fällt uns in Zeiten in denen über die (sozialen) Medien viel zu häufig ein permanentes Bild von „schön“ und “nett” gezeichnet wird, unglaublich schwer. Hinzu kommen Ideen von Ab- und Umlenken, die deutlich positiver erscheinen oder Ideen von Ignorieren, die das soziale Wesen Hund aber häufig im luftleeren Raum hängen lassen, weil situative Symptombekämpfung betrieben wird, beim Hund aber kein Begreifen von Regeln und Grenzen geschehen lassen.

Das Umgehen, Ablenken oder Ignorieren von Konflikten mag situativ gelingen – kann aber keine Dauerlösung darstellen.

Rüde belästigt Hündin

Gerade in einer Großstadt wie Berlin kommt irgendwann der Moment, in dem einem auf einem engen Bürgersteig ein anderer Hund entgegenkommt, die gut riechende Nachbarshündin zur gleichen Zeit Gassi geht, der Fuchs im Halbdunkeln den Weg kreuzt (und der kleine Welpe, der mittlerweile 35 Kilo oder mehr wiegt) in der Leine hängt oder der eigene Hund etwas, das auch durchaus ein Giftköder sein kann, im Maul hat und nicht mehr herausrücken will – jedenfalls nicht, ohne sich mit allen 42 spitzen, weissen Argumenten, die er ebenfalls im Maul hat, dagegen zur Wehr zu setzen.

Erziehung und Beziehung

Wie leicht wäre es gewesen, dem Welpen von Anfang an zu erklären wie die Welt funktioniert und eben auch, dass er seine(n) Menschen ernst nehmen muss. Wie schade ist es, wenn die ersten Wochen ausschließlich in dem Glauben verbracht wurden, ein Welpe müsse “erst einmal ankommen”, er sei “ja noch so klein” und statt dessen fleissig Zeit darauf verwendet wurde, dem Welpen beizubringen, dass sein Name zwar sehr häufig benutzt wird, aber nur sehr selten eine Aussage dahinter steht. Wie schade ist es, dass etliche Kommandos benutzt werden, ohne dass sie angelernt wurden, und sich dann damit zufrieden gegeben wird dass es “manchmal klappt” (denn er ist ja noch so klein…). Wie schade ist es, wenn so junge Hunde bereits lernen, dass sie mit einem Kulleraugenblick, mit Schnelligkeit, mit Ohren auf Durchzug und im Zweifelsfall auch mit Zähnen das bekommen, was sie möchten.

Die Folgen sind für alle Beteiligten fatal. Für die Menschen, bei denen die Schmerzen in den Armen vom ziehenden Hund, die Reaktion der Umwelt oder das Gefühl, das entsteht wenn man mal 2 Stunden im Wald steht und auf seinen jagenden Hund wartet, dafür sorgen dass die rosarote Brille verblasst und ein ernüchternder Realismus einkehrt.

Vor allem aber sind die Folgen für den Hund fatal: die kleinen Prinzen und Prinzessinnen, von Liebe und Fürsorge überschüttet, tun sich oft schwer mit der Anpassung an die Umwelt. Vom eigenen, zu Hause befeuerten, Ego gesteuertes Sozialverhalten sorgt dafür, dass man im Kontakt mit anderen Lebewesen, seien es Menschen oder Hunde, häufig schlechter zurecht kommt. Wenn Dinge mal nicht so laufen, wie man es als besagte(r) Prinz oder Prinzessin gewohnt ist, sorgt das für jede Menge für Frust.

Junge Hunde im Freispiel

Wenn dazu noch kommt, dass ein Hund nie ein Mindestmaß an Frust aushalten musste, weil sein Besitzer versuchte jedem Konflikt bereits im Ansatz aus dem Weg zu gehen, es mit Ab- oder Umlenken versuchte anstatt ein aufrichtiges, ehrliches und genau deswegen mindestens ebenso liebevolles “Lass das!” zu kommunizieren (und nochmal, wie einfach wäre das im Welpenalter gewesen!), dann kann dies der Auftakt für einen steinigen gemeinsamen Weg werden, auf dem weder Hund noch Mensch wirklich glücklich werden.

Häufig ist das der Punkt, an dem meine Kollegen und ich ins Spiel kommen. Nun soll ein Hundetrainer helfen und nicht selten startet so eine Begegnung mit der Erwartungshaltung, dass der Trainer a) Verständnis für dieses nun wirklich außerordentlich schwierige Exemplar von Hund hat und b) ein mal am rechten Ohr dreht, zwei mal am linken Ohr dreht und vielleicht, aber nur ganz vielleicht auch ein, zwei Trainingsideen hat – aber dann muss es auch wirklich laufen. Vielleicht hat der Hundetrainer auch noch einen größeren, stärkeren Hund, der dem eigenen “mal so richtig Bescheid sagt”, so dass der eigene Hund künftig wie durch Zauberhand netter mit fremden Hunden umgeht. Auf die Idee, dass eine Verhaltesänderung des Hundes untrennbar mit einer Verhaltensänderung des Menschen einher geht, kommen leider die wenigsten.

Hunde gehen mit ihren Menschen eine Beziehung ein – und in Beziehungen ist es selten damit getan, dass sich nur einer der Beziehungspartner ändert, meist muss eine beiderseitige Verhaltensänderung stattfinden, um Probleme nachhaltig zu lösen.

Grenzen bringen Freiheiten

Hunde gehen mit Regeln und Grenzen deutlich entspannter um. Sie haben keine Vorbehalte selbst einem kleinen, süßen Welpen ein deutlichstes „Nein“ zu kommunizieren, sie nehmen sich in diesem Moment ernst und erwarten genau das auch von ihrem Gegenüber. Für sie sind Regeln und Grenzen unverzichtbare Bestandteile des sozialen Miteinanders – Kommandos dagegen sind ein eher menschengemachtes Element.

Hunde verlieren weder das Vertrauen noch die Bindung zu ihren Menschen, wenn diese ihnen Grenzen setzen, solange das angemessen, konsequent, ruhig und fair passiert. Sie lernen darüber Frust auszuhalten, hinzunehmen dass nicht immer alles so läuft wie sie es gerne hätten – und das wiederum ist der Grundstein zu einem guten, angepassten Leben und Sozialverhalten.

Für einen weissen Schäferhund.

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